Das Ende, oder nur ein Wechsel der Jahreszeit?
Das Ende, oder nur ein Wechsel der Jahreszeit?
2022 war ein turbulentes Jahr an den Fremdkapitalmärkten, da die Melange aus grassierender Inflation, Rezessionsängste, anhaltende Lieferkettenprobleme und der Krieg in der Ukraine zu einem aggressiven quantitativen Straffungsprogramm der führenden internationalen Notenbanken geführt haben, und zwar maßgeblich getrieben durch die US-amerikanische Fed. Die Geschwindigkeit der Zinsanhebungen, verbunden mit der Höhe der einzelnen Zinsschritte sowie der internationale Umfang der Anpassungen hatten schwerwiegende Auswirkungen auf die Märkte für hochverzinsliche und breit syndizierte Anleihen, wie das Volumen breit syndizierter Kredite zeigt, das vom zweiten Quartal 2022 zum dritten Quartal 2022 um 47 % zurückging. Diese Marktverwerfungen hatten erhebliche Auswirkungen auf die Entwicklung der Aktienindizes weltweit, sei es an der Wall Street, der NASDAQ, oder der Frankfurter Börse. Insbesondere aber haben allein die größten in den USA tätigen Banken rund 42 Milliarden US-Dollar an Buyout-Schulden in ihren Büchern(1), was zu erheblichen Mark to Market-Verlusten führt.
Während sich die marktregulierten Anbieter syndizierter Anleihen in den letzten Monaten bereits deutlich zurückhielten, haben die alternativen Kreditgeber und Structured Debt Funds Ihr Engagement eher verstärkt, um die entstehende Lücke insbesondere für mittelständische Kreditnehmer zu füllen. Im 3. Quartal 2022 stieg das Volumen unsyndizierter Darlehen in den USA gegenüber dem 2. Quartal 2022 um 17 %, wobei das Verhältnis der Direktkredite zu syndizierten Kreditvolumina im amerikanischen Mittelstand auf das 4,3-fache gestiegen ist, ein Allzeithoch. Trotz all der Schlagzeilen hat das Gesamtkreditvolumen (syndiziert sowie direkt vergeben) mit den historischen Durchschnittswerten Schritt gehalten, aber die deutlich reduzierte, einseitigere Auswahl an Fremdkapitalpartnern hat zu strengeren Kredit-Regelungen und höheren Spreads geführt. Während die Kreditnehmer also das restriktivere Umfeld beklagen, ist es gleichzeitig die Realität, dass zumindest in den USA das reine Kreditvolumen zur Unterstützung von LBOs weiterhin vorhanden ist.
Die aktuellen Marktbedingungen haben jedoch zu einem deutlich risikoaverseren Ansatz geführt, da die Kreditgeber nun marktbedingt höhere Preise und einen niedrigeren Verschuldungsgrad, also eine (etwas) niedrigere Hebelwirkung, auf dem gesamten Kreditmarkt postulieren. Während die Margenaufschläge der Fremdkapitalgeber in den USA um 50-150 Basispunkte gestiegen sind, hat für die tatsächliche ruckartige Veränderung der Zinskosten der steile Anstieg der Refinanzierungszinssätze gesorgt(2), also in den USA des Satzes für besicherte Übernachtfinanzierung („SOFR“) von 0,05 % im Januar 2022 auf 3,8 % im Dezember 2022, oder in Europa der EONIA/ESTR von -0,58 % im Januar 2022 auf 1,40 % im Dezember 2022. Angesichts des Anstiegs der Spreads und der Basiszinssätze könnte man die Hypothese aufstellen, dass der Leverage sicherlich zurückgehen muss. Wenn Sie sich jedoch den Leverage ansehen, werden Sie feststellen, dass zumindest in den USA statistisch gesehen sowohl Senior- als auch Gesamtleverage im Einklang mit den historischen Leverage-Niveaus geblieben sind.
Angesichts gestiegener Finanzierungskosten, nur leicht gesunkenem Leverage und anhaltender Verwerfungen an den Kapitalmärkten für breit syndizierte/hochverzinsliche Anleihen stellt sich natürlich die Frage, wie lange direkte Kreditgeber wie beispielsweise Debt Fonds die LBO-Aktivitäten im Mittelstand unterstützen können. An welchem Punkt geht den alternativen Kreditgebern „das Pulver“ (dry powder) zur Unterstützung von LBO-Aktivitäten aus?
Laut Pitchbook verfügen die im Mittelstand aktiven alternativen Darlehensgeber über ausreichend Mittel, um den Markt zu unterstützen. Interessant und anders als bei früheren Liquiditätsengpässen ist, dass alternative Kreditgeber nicht mehr übermäßig auf das Anzapfen der öffentlichen Kapitalmärkte zur Refinanzierung angewiesen sind, um ihre Liquidität zu sichern. Obwohl die öffentlichen Kapitalmärkte auch weiterhin über verschiedene Instrumente Teil des Finanzierungsmechanismus eines alternativen Kreditgebers sind, haben sich die Finanzierungsquellen in der Breite verlagert und bestehen mittlerweile insbesondere auch aus Kapital, das direkt von Stiftungen, Pensionsfonds und anderen größeren Geldgebern (sogenannte LPs) bereitgestellt wird, was eine stabilere Kapitalbasis bietet, die es den Kreditgebern ermöglicht, sich in ihren Engagements langfristiger orientiert zu verhalten.
Ausblick auf 2023
Unsere Prognose für 2023 basiert auf der Annahme, dass sich die regionalen Märkte der Weltwirtschaft ähnlich ruckelig entwickeln werden, wie in den letzten neun Monaten, uns eine dramatische Eintrübung im Makroumfeld jedoch erspart bleibt. Wir gehen darüber hinaus davon aus, dass sich die Anleihemärkte weiterhin ähnlich verhalten werden wie in den letzten vier Monaten, wir also weitere moderate Zinsanhebungen der globalen Notenbanken sehen werden, bis die globale Inflation deutlich rückläufig ist. Alternative Kreditgeber und Private Debt Funds werden auch in den kommenden Monaten eine wichtige Rolle in der Kreditversorgung spielen und die Lücke füllen, welche die (bewusste) Einschränkung der Kreditmittel auf den Märkten für hochverzinsliche und syndizierte Darlehen hinterlassen hat.
Leverage-Volumen, um LBOs zu unterstützen, wird per se auch weiterhin verfügbar sein, aber wie wir in der zweiten Hälfte des Jahres 2022 gesehen haben, werden die Hürden hoch bleiben und die Kreditgeber werden auch weiterhin signifikante Eigenkapitalniveaus in Höhe von 50% und mehr (Eigenkapital + Management-Rollover) verlangen, wenn sie neue LBOs unterstützen. Leverage-Quoten der jüngeren Vergangenheit in denen Eigenkapitalgeber ihre Buyouts in den USA mit bis zu 60-65 % Fremdkapital finanzieren konnten, werden so schnell nicht zurückkehren. Wir glauben jedoch, dass Kapitalisierungsraten von 50 %/50 % Bestand haben werden und alle Marktteilnehmer sich an diese neue Realität anpassen müssen.
Das neue Marktumfeld wird offensichtlich auf der Kreditgeberseite begrüßt, während sich Kreditnehmer nach den für sie opportuneren Strukturen von 2021 sehnen werden. In der Vergangenheit, als Fremdkapital nicht nur günstiger, sondern insbesondere auch flexibler war, konnten Eigenkapital- und Finanzinvestoren die Kreditfazilitäten für ihre Prozesse leicht aufstocken, um so Akquisitionen in hohem Maße durch Fremdkapital zu finanzieren. Während des vierten Quartals 2022 merkte man allerdings, dass PE-gestützte Strategen bei der Bewertung von Zusatzakquisitionen anspruchsvoller wurden, was unseres Erachtens auch auf die gestiegenen Finanzierungskosten und strengeren Regelungen in neuen Darlehensverträgen zurückzuführen war, die mittlerweile abgeschlossen werden. Dieses Verhalten wird kurz- bis mittelfristig sehr wahrscheinlich zu einem etwas weniger wettbewerbsintensiven Umfeld für Fusionen und Übernahmen führen, was sich wiederum dann auch auf die EV-Multiplikatoren auswirkt.
Aus unserer Sicht werden im Jahr 2023 durch Dividenden getriebene Rekapitalisierungen und opportunistische Refinanzierungen aufgrund unattraktiverer Gesamtkonditionen seltener vorkommen, was neben einem leicht abgeschwächten M&A-Marktvolumen insgesamt zu weniger Transaktionen führen wird, bei denen die Kreditgeber ihr Geld gewinnbringend einsetzen können. Dieser gedämpfte Transaktionsfluss wird daher mit hoher Wahrscheinlichkeit dann wieder dazu führen, dass die Marktspieler um die begrenzte Anzahl von Transaktionen, die auf dem Markt sind, konkurrieren werden. Vor diesem Hintergrund könnte es bereits im Sommer 2023 so weit sein, dass die ersten Darlehensgeber im Kampf um die Zinsmarge damit beginnen werden, die restriktiven Scheuklappen abzulegen und die Vergabebedingungen oder die Preisgestaltung zu lockern, um wieder mehr Finanzierungsmandate zu gewinnen.
Die aktuelle Phase ist also abermals nicht das Ende und die Fremdkapitalmärkte sind per se auch weiterhin geöffnet, aber an das aktuelle Umfeld wird man sich in den nächsten sechs Monaten erst einmal gewöhnen müssen. Aber so, wie bei den Jahreszeiten auf einen stürmischen Herbst und einen eisigen Winter regelmäßig ein sonniger Frühling folgt, werden auch die Fremdkapitalmärkte und damit das Finanzierungsumfeld für M&A-Transaktionen insgesamt zur Normalität zurückkehren.
Der gesamte Artikel ist von unserem US-amerikanischen Head of Debt Advisory insbesondere mit Sicht auf den US-amerikanischen Markt und dessen mögliche Entwicklung im Jahr 2023 verfasst worden und ist nicht 1-zu-1 auf den europäischen und deutschen Markt für Fremdkapitalfinanzierungen übertragbar.
Quellen:
(1) Bloomberg; Stand November 2022
(2) Federal Reserve Bank of New York