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Der richtige Zeitpunkt für den Unternehmensverkauf - Christian Grandin gibt Einblicke
Wenn es in Familienunternehmen um die Nachfolge geht, werden die zur Verfügung stehenden Alternativen im Kreise der Familie oder gemeinsam mit Beirat oder Beratern auf Umsetzbarkeit und Vorteilhaftigkeit hin überprüft. Die Option „Unternehmensverkauf“ schneidet in Zeiten niedriger Zinsen, die uns in den letzten Jahren beschert sind, weniger gut ab: „Das unternehmerische Vermögen lässt schließlich laufende Ausschüttungen zu, und im Vergleich dazu ist die Anlagerendite auf einen Verkaufspreis nicht interessant. Früher hätte es sich ja noch gelohnt zu verkaufen, da war die Rendite deutlich höher, aber heutzutage nicht mehr“. Auf den ersten Blick erscheint die Argumentation schlüssig – sie lässt aber weitere, wesentliche Einflussfaktoren außen vor.
Mit der Reduktion der erzielbaren Rendite am Kapitalmarkt haben sich mehrere positive Effekte eingestellt, die einen so erheblichen Einfluss auf den Wert einer unternehmerischen Beteiligung haben, dass sie den (temporären) Renditeverlust aus der Wiederanlage voraussichtlich überkompensieren.
Zum einen ist die Profitabilität eines Großteils der mittelständischen Unternehmen mit der in den letzten Jahren erfreulichen Wirtschaftsentwicklung überproportional gestiegen. Zum anderen kurbeln niedrige Zinsen die Konjunktur an, ermöglichen Investitionen in Wachstum, schaffen Nachfrage und steigern im Ergebnis Ertragskraft und Cash Flow eines Unternehmens und damit die wesentlichen Einflussfaktoren für den Wert einer unternehmerischen Beteiligung. Die Bewertung kann vereinfachend über Multiplikatoren auf das sog. nachhaltige Unternehmensergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (sog. EBITDA) ausgedrückt werden. Steigt das EBITDA um 10%, erhöht sich unter der Annahme gleicher Bewertungsmultiplikatoren auch der Unternehmenswert entsprechend.
Diese Multiplikatoren haben sich jedoch – zum Glück für Verkäufer – in den letzten Jahren ebenso deutlich positiv entwickelt. Im Gleichlauf mit dem Verbesserung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen ist durch das gesunkene Zinsniveau heute ein immenses Vermögen auf der Suche nach attraktiven Anlagemöglichkeiten. So wie Angebot und Nachfrage die Börsenkurse und Immobilienpreise positiv beeinflussen, sind auch die Preise für Unternehmensbeteiligungen sprunghaft angestiegen. Wer vor vier oder fünf Jahren für ein mittelständisches Unternehmen in einer nach der letzten Wirtschaftskrise wieder stabilisierten Konjunktursituation für das Fünffache des nachhaltigen EBITDA verkaufen konnte, wird in der heutigen Konjunktursituation deutlich höhere Multiplikatoren erzielen können, die nicht selten über dem Faktor acht oder gar darüber liegen.
Diese beiden Effekte erhöhen zusammengenommen die Vorteilhaftigkeit eines Unternehmensverkaufs deutlich – trotz niedriger Alternativrendite auf einen Verkaufserlös. Auf einen heute bereits vereinnahmten Kaufpreis, der um den Faktor 1,5 oder 2,0 höher ist, kann auch eine temporär niedrigere Rendite verschmerzt werden – zumal die Niedrigzinsphase nicht unendlich andauern wird.
An dieser Stelle fragen sich Unternehmer: „Aber warum sollen wir das Unternehmen nicht behalten und darauf hoffen, dass die Wirtschaft weiter boomen wird?“
Das Institut der deutschen Wirtschaft in Köln hat der deutschen Wirtschaft Anfang Mai in der Tat eine weiterhin gute Entwicklung bis 2018 vorhergesagt. Eine Abschwächung ist (noch) nicht in Sicht, ebenso keine kurzfristige Erhöhung der Finanzierungskosten im Euroraum. Das ist insofern für die Unternehmenspreise von Vorteil, da positive Konjunkturaussichten die Grundvoraussetzung für stabil hohe Bewertungsniveaus sind. Dass dies nicht auf ewig so bleiben wird, ist jedem schnell klar, der sich einmal mit einem Volkswirt über die Verschuldungssituation in Europa und die anhaltenden Probleme einzelner europäischer Staaten hat.
Investoren sind bekanntermaßen ihrem Umfeld gerne voraus und preisen die Zukunftsentwicklung in ihre Bewertung mit ein. So wie am Aktienmarkt ein gutes Ergebnis auf der Hauptversammlung meist schon eingepreist ist, werden auch Wolken am Konjunkturhimmel sehr schnell zu Kursabschlägen führen – die sich dann in der Vergangenheit auch selbst verstärkt haben. Ein ähnliches Verhalten ist auch auf dem Markt für Unternehmensbeteiligungen festzustellen: hier fallen die Preise für ein Unternehmen überproportional deutlich und schnell bei sich ankündigenden Konjunkturdellen, so wie sie bei einer anhaltenden Schönwetterperiode auch überproportional steigen.
Insofern ist für den Verkauf eines Unternehmens oder einer Beteiligung die aktuelle Situation ideal – aber endlich. Wer also eine externe Nachfolge durch Verkauf erwägt, sollte alle Aspekte gut abwägen und nicht nur niedrige Alternativrenditen bei der Bewertung der Optionen im Auge haben. Wie an der Börse ist das Timing bei einem Verkauf entscheidend – und das ist aktuell sehr gut.