Die britische Fertigungsindustrie behauptet sich trotz Brexits überraschend gut – Ausländische Investoren begreifen dies als Einstiegschance

UK manufacturing, high-speed drill image

Die britischen Produktionsunternehmen generieren aktuell eine Wirtschaftsleistung von umgerechnet € 340 Mrd. und demonstrieren ihre Stärke trotz der schwierigen politischen Situation. Viele britische Investoren verkennen diese Lage und verpassen so attraktive Einstiegsmöglichkeiten, während ausländische Investoren diese Chancen für Unternehmens­zukäufe derzeit beherzt nutzen.

Laut aktueller Quartalsstatistik der britischen Industrievereinigung EEF ist die Branchenstimmung im Produktionssektor gerade auf einem Rekordhoch, was an der guten Auftragslage liegt, die besonders von den aktuellen Exporterfolgen profitiert. Die britische Presse und manch britischer Investor schieben diesen Boom fast ausschließlich auf das derzeit schwache Pfund.

Diese Kreise gehen momentan auch davon aus, dass sich die britische Währung nach dem Brexit sehr zügig wieder auf das starke Niveau von vor 2016 erholen wird. Diese einfachen Analysen und Schlussfolgerungen sind unseres Erachtens zu kurz gedacht. Es ist zum einen nicht gesagt, dass die Kernannahme, dass das Pfund nach einem Brexit wiedererstarkt, auch tatsächlich eintritt.

Zukünftig dürften globale Ereignisse die dann von der EU womöglich abgekoppelte britische Wirtschaft ganz anders beeinflussen, als es derzeit absehbar ist, und wirken dann auch auf die Entwicklung der britischen Währung ein. Zum anderen blenden diese währungsfixierten Überlegungen andere Aspekte, die den britischen Produktionssektor aktuell kennzeichnen, unseres Erachtens zu Unrecht aus:

  • Die Inlandsnachfrage und -umsätze im Produktionssektor sind ebenfalls robust.
  • Die britische Produktionsindustrie ist selbst stark auf Importe, die oftmals in US Dollar erfolgen, angewiesen, so dass die oben genannten Ausführungen zu Wechselkurswirkungen zu einseitig sind.
  • In der Vergangenheit war es oftmals so, dass die britische Produktionsindustrie eben nicht von einer schwachen Währung profitieren konnte, sondern trotz dieses Vorteils zusammenbrach. Heute erscheint uns der Sektor insgesamt deutlich stabiler aufgestellt: Zwar ist eine vorteilhafte Preisgestaltung immer auch ein wichtiger Wettbewerbsfaktor, aber die Kunden stellen zunehmend auf exzellentes Engineering, hohe Qualität und Leistung ab und schauen nicht ausschließlich auf den Preis.

Die Innovationskraft von aufstrebenden britischen Produktionsbetrieben, vor allem im Technologiesegment, wird heute stark gefördert. Neben dem EEF-Verband gibt es viele andere Organisationen und staatliche Programme, die die britische Industrie in dieser Beziehung tatkräftig unterstützen. Unser Kollege aus London, Graham Carberry, hat beispielsweise bereits an anderer Stelle über die britischen Industrie 4.0-Aktivitäten (http://livingstonepartners.com/uk/insights/industry-4-0-manufacturing-revolution/) berichtet.

Die britischen Produktionsbetriebe ergreifen zunehmend diese Chancen: Investitionen und Beschäftigung wachsen trotz der mit dem Brexit-Referendum im Juni 2016 einhergehenden Unsicherheiten in den jüngsten Quartalen dennoch kräftig. Das Wachstum in der britischen Fertigungsindustrie dürfte sich auch im laufenden Jahr entgegengesetzt der sich verlangsamenden Dynamik der britischen Gesamtwirtschaft weiter beschleunigen.

Ein Blick auf die von Livingstone im Königreich beratenen Transaktionen zeigt, dass im Produktionssegment mehr britische Unternehmen an internationale Erwerber veräußert werden als in jedem anderen Sektor. Die Angebote internationaler Käufer – sowohl von strategischen Interessenten als auch von Finanzinvestoren – liegen durchgängig mindestens 10% höher als die der britischen Bieter, im Einzelfall sogar noch deutlich darüber. Die britische Fertigungsindustrie bietet Investitionsmöglichkeiten, die ausländische Investoren derzeit bereits aktiv nutzen, während sich inländische britische Investoren (noch) zurückhalten.  


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